FdCA-Pressemitteilung

Papst Ratzinger, oder: Zurück in der Wirklichkeit

 

Nach Tagen des medialen Deliriums, der Journalisten in mystischer Ekstase, der kniebeugenden Staatsoberhäupter (auch von der Polizei gesuchter) vor der heiligen sterblichen Hülle von JP II und des Wartens auf die unvorhersehbare Entscheidung "des Heiligen Geistes" holt die Wahl dieses Papstes endlich alle auf den Boden der Realität zurück. 

Der Realität einer vorhersehbaren, berechnenden und alles andere als heiligen katholischen Kirche. Wir wußten, daß JP II den Großteil der Kardinäle des Konklaves ausgewählt hatte, und daß er jenseits seiner gutmütigen und faszinierenden Medienäußerungen nach Kräften die reaktionäre Moralpolitik Ratzingers unterstützte. Wir hatten uns aus dem Strudel der törichten Erwartungen (der afrikanische Papst, der Papst der "lateinamerikanischen Massen" und dergleichen Hirngespinste) herausgehalten und bereits die feste Absicht von JP II angeprangert, die Kirche als monarchischen Staat gegen Erneuerung und Partizipation abzuschirmen. Das Konklave hat exakt den politischen Plan Wojtylas und seiner Mannschaft bestätigt. Die Kardinäle haben gehorcht. Und nun bildet sich der Vatikan ein, in dieser Welt, die immer mehr unter dem Anpassungsdruck des Fernsehens steht, auch mit einem nicht fotogenen Papst weiter seine "gute" politische Fassade propagieren zu können und humanitäre Kleinodien auszuteilen, während er das Ziel der moralischen Beherrschung der Massen und des Nichts-Veränderns verfolgt. Und das werden die gewohnten Ziele Ratzingers sein: eine autoritäre, strenge Kirche, feindlich gegen die Befreiung der Frau, die reife und freie Sexualität, die Ungläubigen und die "abweichenden" Gläubigen.

Die frömmlerischen Meinungsmacher haben jetzt mit ein bißchen Verwirrung gesehen, wie ihre Glorienträume zusammengebrochen sind. Sie kommen uns griesgrämig vor wie Kinder, denen ein neues Spielzeug verweigert worden ist. Viele Linke klagen jetzt über diesen neuen Papst, daß er vorkonziliar sei. Wir anarchistischen Kommunisten dagegen hatten es schon erwartet: es ist der Triumph der vatikanischen Nomenklatura, der Beginn eines inneren Kampfes, der hoffentlich die offeneren und vernünftigeren Gläubigen dazu bringen wird, für immer aus dem Petersdom zu fliehen und die Politik der katholischen Kirche aufrichtiger zu analysieren.

Federazione dei Comunisti Anarchici
19. April 2005